Inside Wohnprojekt. Einige Gedanken und Erfahrungen

Ein Beitrag von Wilhelm Schwedes, Lebensräume in Balance e.V.

Wohnprojekte heißen Menschen willkommen, die Gemeinschaft leben und stärken wollen

In Wohnprojekten schließen sich Menschen zusammen, die gemeinschaftlich ihr Leben gestalten wollen. Dies geht über das normale nachbarschaftliche Wohnen deutlich hinaus. Sich gegenseitig bewusst wahrzunehmen, sich zu zeigen mit seiner Persönlichkeit und die Andersartigkeit der anderen zu akzeptieren sind Voraussetzungen, um ein aktives Mitglied eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts zu sein.

Dies zu leben, setzt wohlwollende Kommunikation besonders bei unterschiedlichen Sichtweisen und Konflikten voraus. Eine authentische Gemeinschaft wird vom Sich-Zeigen, von Wertschätzung der Unterschiedlichkeiten, dem Dabeibleiben gerade bei Schwierigkeiten, dem Zuhören (obwohl man sofort die eigene Sicht erwidern möchte), dem Zeitgeben, dem Mitarbeiten auch bei ungeliebten Tätigkeiten und – und – und getragen. Menschen einer authentischen Gemeinschaft verfolgen gemeinsam eine Vision, die stärker ist als Alltagskonflikte und immer wieder zusammenführt.

Wohnprojekte sind Orte zum Wachsen und Wirken nach innen und nach außen

Das Planen und Realisieren des Wohnprojekts wird entscheidend durch das ehrenamtliche Engagement der Projektgruppe getragen. Dies kann nur gelingen, wenn die Rahmenbedingungen (Verwaltung, Kommune, Politik) förderlich sind.

Die Projektgruppe hat viele Aufgaben zu bewältigen. Dies zeigt sich auch daran, dass die Planungs- und Realisierungsphase eines Wohnprojekts oft nicht unter zehn Jahren liegt. Was alles zu tun ist: Aufbau der Gründungsgruppe, Leitbild und Vision entwickeln, Rechtsform entscheiden und einrichten, Grundstückssuche, Gemeinschaftsbildung, Finanzorganisation, Vertragsabschlüsse, Kooperation bei Bauplanung und -erstellung, Gestaltung der Gemeinschaftsbereiche, Wohnungsvergabe, ….
(Anmerkung: Von allen mit viel Engagement startenden Projektgruppen schaffen es im Schnitt nur weniger als zehn Prozent, das angestrebte Vorhaben umzusetzen. Gute fachliche Unterstützung der Projektgruppen, Vernetzung der Wohnprojektinitiativen und förderliche Rahmenbedingungen durch Kommune und Politik könnten zur Erhöhung der Erfolgsquote deutlich beitragen!)

Nach dem Einzug beginnt das gemeinschaftliche Leben Tür an Tür. Obwohl schon bis zu einem Jahrzehnt an Vorbereitung vergangen ist, muss sich die Gemeinschaft nun ganz konkret bewähren.
Denn nach dem Einzug ist die Arbeit nicht getan, die Schwerpunkte haben sich nur verlagert. Lag vorher das Augenmerk auf Standortfindung und Realisierung der baulichen Hülle, so steht jetzt das Wachsen und Wirken der Gemeinschaft nach innen und außen im Vordergrund.

Zum einen sind jetzt die Arbeiten für die Verwaltung des Gemeinwesens und für die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben durch Gremien (z.B. Vorstand) zu leisten. Zum anderen stellt die Gemeinschaftsbildung eine immerwährende Herausforderung dar, die oft unterschätzt oder schlicht übersehen wird.

Menschen, die später zu einem bestehenden Wohnprojekt dazustoßen, sollten sich der herausfordernden Entstehungsphase bewusst sein; das „gemachte Nest“ wurde von einem Teil der Menschen geschaffen, mit denen sie jetzt zusammenwohnen. Sie werden Teil der wohnenden Gemeinschaft, die durch Übernahme von Ämtern und aktivem Gestalten der Gemeinschaftsbildung nachhaltig zu sichern ist.
Wohnprojekte bieten Wohnungen in angenehm gestalteter Umgebung an, die für viele sehr attraktiv erscheinen. Dieser Aspekt sollte nur ein nachrangiges Kriterium für Bewerbung und Einzug sein. Wichtig für die bestehende Gemeinschaft ist, dass mit der Gewinnung neuer BewohnerInnen konfliktfähige Persönlichkeiten hinzukommen, die sich aktiv bei der Gemeinschaftsbildung einbringen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Allein ist es schwer, Weitblick zu beweisen.
Zu zweit sieht man etwas mehr.
Wenn wir aber um uns eine Gruppe von Menschen haben,
die uns wirklich lieben und sagen:
“Du machst es richtig!
Du sollst einer von uns sein!
Schenk uns deine Fähigkeiten!”,
dann ist es leichter, sein Ziel zu erkennen.

Sobonfu Somé (eine afrikanische Weisheit)

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