Neu nutzen, was schon da ist

Wohnwende-Ökonom Daniel Fuhrhop öffnete am Petershof eine spannende Suffizienz-Perspektive. Ein Beitrag von Kathleen Battke mit Saskia Militz und Almut Skriver

Wer allein auf die Politik wartet, macht einen Fehler: „Was das Thema Wohnraum angeht, kann ich bei mir selber anfangen, anstatt nur zu fordern, die Politik sollte doch mal…“ – So eröffnete Dr. Daniel Fuhrhop seinen Vortrag im mit über 50 Interessierten voll besetzten Veranstaltungsraum auf dem Petershof in Köln-Müngersdorf.

Taugt „Suffizienz als Schlüssel zu einer sozialen und klimagerechten Wohnraumpolitik?”, fragten wir im Untertitel der Veranstaltung am 30. September, die Neues Wohnen im Alter e.V., die Machbarschaft Petershof und die MitStadtZentrale gemeinsam organisiert hatten. Damit sollte der sozialen und der ökologischen Dimension des Wohnungsthemas gleichermaßen die Tür geöffnet werden, um auf den oft ignorierten Zusammenhang zwischen diesen Aspekten aufmerksam zu machen.

v.l.n.r.: Almut Skriver (Mitstadtzentrale), Saskia Militz (Petershof), Kathleen Battke (NWiA e.V.)

Fuhrhop, der vor acht Jahren mit dem provokanten Buchtitel „Verbietet das Bauen“ bekannt wurde, war dafür die richtige Wahl, denn er holt gerade das Dilemma zwischen Wohnungsbau- und Klimaschutzzielen ins Rampenlicht. In seiner 2023 abgeschlossenen Promotion hat er sich auf die Suche nach dem „unsichtbaren Wohnraum“ gemacht, um der Klimakrise, dem demografischen Wandel und der Wohnungsnot gleichzeitig mit einem pragmatischen Ansatz zu begegnen. Als Berater für Kommunen ist er nun in der ganzen Republik unterwegs. Auch in Köln sieht er ein Potenzial an verborgenem Wohnraum für bis zu 180.000 Menschen.

Statt Wohnungsbauprogramme aufzulegen, die nicht den erhofften Effekt erzielen oder eben wegen der Klimaziele oder anderer widersprechender Vorgaben gar nicht umsetzbar sind, solle man lieber in effektivere Beratungsstrukturen investieren, um den vorhandenen Wohnraum besser zu nutzen. Fuhrhop legt Kommunen das Einrichten einer Wohnraumagentur nahe, die ressortübergreifend alle anfallenden Fragen behandelt – als Beispiel für eine bereits funktionierende kommunale Wohnraumagentur nannte er Göttingen. Sie können unter anderem Wohnpartnerschaften fördern, bei uns als „Wohnen für Hilfe“, international unter „homesharing“ bekannt. Hier bieten oft ältere Menschen, die allein in großen Häusern leben, anderen Raum zum Mitwohnen an und bekommen statt Miete Zeit und Hilfe. Entscheidend ist hier eine kompetente und Sicherheit schaffende Begleitung.

Dass dies mit guten Beratungsstrukturen auch wirklich funktioniert, beweisen die Zahlen: In Brüssel werden beispielsweise jährlich rund 400 Wohnpartnerschaften vermittelt, in deutschen Kommunen sind es selten ein Zehntel davon. Für eine enge Begleitung und sensible Vermittlung sind personelle Ressourcen erforderlich, die allerdings in kurzer Zeit viel erreichen können, und das ohne zusätzlichen CO2-Ausstoß. Denn nicht nur die Herstellung von Gebäuden, sondern auch die Erschließung von Neubaugebieten ist klimaschädlich. Es sollten also dringend alle Möglichkeiten zum Einsparen und Teilen von vorhandenen Flächen genutzt werden: „Zeit und Geld sind beim unsichtbaren Wohnraum besser eingesetzt als Investitionen in Beton“.

Moderatorin Kathleen Battke von Neues Wohnen im Alter e.V. und Almut Skriver von der MitStadtZentrale interessierte, welchen Beitrag gemeinschaftliche Wohnprojekte leisten können, um den bundesweiten Durchschnitt von mittlerweile rund 55qm Wohnfläche pro Person zu senken. “Gemeinschaftliche Wohnprojekte können flächensparend sein, sind es aber nicht automatisch“, so das kritische Fazit von Daniel Fuhrhop. Auch hier werden noch zu wenige Konzepte zur flexiblen Raumnutzung umgesetzt. Vor allem in den früher vorherrschenden Wohnprojekten mit Eigentumswohnungen fehlt die Flexibilität, sich nach der Familienphase zu verkleinern oder bei Zuwachs zu vergrößern. Genossenschaften oder Mietprojekte hingegen können – und sollten – schon zu Beginn Regelungen treffen, die eine Obergrenze für individuelle Wohnquadratmeter setzen und den Wohnungswechsel im Projekt einfordern, um über die Lebensphasen hinweg flächensparend und damit sozial nachhaltig zu bleiben. In Schweizer Genossenschaften wird das bereits gut angenommen, in Deutschland ist das (leider) noch sehr innovativ. Auch im Publikum befand sich keine einzige Initiative, in der eine solche Regelung für das bestehende oder geplante Wohnprojekt bereits formuliert wäre. Mitveranstalter Petershof wird dies in die Planungen allerdings aufnehmen, wie Saskia Militz versicherte.

Nach dem kurzweiligen Vortrag ging es gleich in den angeregten Austausch: das Publikum hatte viele Fragen: Wie viel Krise braucht die Politik, um angemessen zu handeln? Wie lässt sich der Ansatz des Gewinnens von verborgenem Wohnraum auch als Quartiersentwicklung denken? Was soll aus den vielen Tausend Beschäftigten im Baugewerbe werden, wenn keine Wohnungen mehr gebaut werden sollen? Und wo gibt es den Leitfaden für Alleinlebende in großen Häusern, die ihre Situation ändern möchten? Manche der Anwesenden würden ihn gerne im Gespräch mit alten Eltern, die noch im Familienhaus leben, nutzen. Und auch viele der Älteren selbst, die sich von dem großzügigen Wohnraum und dem nötigen Kümmern darum oft auch belastet fühlen, sind für Handreichungen und Beratung offen.

Die Meinungen im Publikum reichten von der Forderung nach einer Flächensteuer oder einem Neubaustopp über das Betonen der Wichtigkeit von konfliktgeschultem Beratungspersonal bis hin zum Plädoyer für die Freiheit, über Eigentum jederzeit selbst zu entscheiden und nicht durch Verbote genötigt zu werden.

Klar wurde, dass angesichts der demografischen Entwicklung bald neue Lösungen gefunden werden müssen, um das Dilemma zwischen Wohnflächenüberfluss, der nicht unbedingt glücklich macht, auf der einen Seite und der Wohnraumknappheit für Menschen mit weniger Mitteln auf der anderen Seite wenn nicht zu lösen, dann doch wenigstens zu mildern.

An der Bar des Petershofs diskutierten Referent und Gäste noch eine Weile weiter über die Perspektiven, die das Gehörte für die Aktiven in der Region Köln/Bonn haben könnte.

Ein aktuelles Video-Gespräch mit D. Fuhrhop ist hier auf dem WohnPortal zu sehen: https://wohnportal-koeln-bonn.de/nwia-spricht-mit-dr-daniel-fuhrhop/

Moderatorin Kathleen Battke von NWiA e.V. mit dem Referenten Dr. Daniel Fuhrhop

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