Literaturempfehlung

Gerald Hüther: Kommunale Intelligenz

Gerald Hüther, „Kommunale Intelligenz. Potenzialentfaltung in Städten und Gemeinden“

edition Körberstiftung, 2013

Der Titel klingt nach Fachbuch – ist es auch. Doch schon der erste Satz, wenn ich das 125 Seiten schmale Bändchen aufschlage, führt in eine andere Tonlage: „Es geht nur gemeinsam: Auf dem Weg zu einer neuen Beziehungskultur“.

Wie klingt das in den Ohren administrativer Rollenträger:innen? In den Ohren des Sachbearbeiters im Liegenschaftsamt, der Dezernatsleitung für Soziales und Wohnen? Geht der Naturwissenschaftler Gerald Hüther, als seriöser Analytiker bekannt, hier auf Kuschelkurs?

Nein. Er benennt eine Realität. Oder vielmehr formuliert er eine Einsicht, die sich aus den Erfahrungen und Ergebnissen bisheriger Stadtgestaltung aufdrängt:

Das Regieren „von oben herab“, das Festhalten an alten Strukturen, die der Unplanbarkeit und dynamischen Veränderung unserer Zeit immer nur hinterher hinken können, die klassischen Ressort-Aufteilungen in den Verwaltungen mit oft nur noch schwachem Bezug zu den Lebenswelten der Bürger:innen – all das schwächt die Resilienz und Lebensqualität unserer Städte.

Schlimmer noch: Es herrsche „Aktionismus zwischen Problembewältigung und Besitzstandswahrung“, diagnostiziert Hüther. Diese Diagnose muss man wohl auch, auch wenn es einige löbliche Bemühungen gibt, als zutreffend für die Herausforderung Raum für gemeinschaftliches Wohnen in Köln stellen. Dazu kommt – um diesen hart aufgesetzten Stempel etwas abzumildern – eine gute Portion Rat-, Hilf- und Machtlosigkeit bei den Gutwilligen in den Verwaltungen.

Im Kapitel „Was aus unseren Kommunen werden könnte“ (S. 69) spielt Hüther einige Denkmodelle durch, die hier Abhilfe schaffen könnten.

Nachdem er einige Strategien beiseite geschoben hat, die eher der Problemverlagerung als ihrer Lösung dienen, benennt er „die einzige, die Stabilität, Wachstum und Weiterentwicklung dauerhaft ermöglicht (…): Es ist der Versuch, eine gemeinsame, für alle in einer Kommune lebenden Menschen gleichermaßen gültige und attraktive Vision zu schaffen, ein im Gehirn aller Mitglieder verankertes inneres Bild zu erzeugen. Ein Bild, das zum Ausdruck bringt, worauf es im Leben, im Zusammenleben und bei der Gestaltung der gemeinsamen Lebenswelt wirklich ankommt: auf Vertrauen, auf wechselseitige Anerkennung und Wertschätzung, auf das Gefühl und das Wissen, aufeinander angewiesen, voneinander abhängig und füreinander verantwortlich zu sein.“ (S. 74) Dies sei das Fundament einer erwachsenen „individualisierten Gemeinschaft“, die Neurobiologe Hüther aus der Evolution des menschlichen Gehirns als Perspektive für Kommunen herleitet.

Hüther macht sich keine Illusionen: Veränderungen dieser Dimension sind nicht von heute auf morgen zu erreichen. So setzt er vor allem auf den Nachwuchs. Er entwickelt das Programm „Community Education“ für Schulen – kurz: schon die Kinder und Jugendlichen sollen lernen, sich als selbstverantwortliche und kreative Bürger:innen wahrzunehmen.

Eine Sensibilisierung für Bauen und Wohnen in der Stadt und kreatives Wissen zum Themenfeld gemeinschaftlich gestaltete Wohn- und Lebensräume lassen sich doch ohne weiteres als Lernziel für Schulprojekte denken!

Es bleibt die Frage:

Schaffen wir es – bevor alle Häuser in unseren Vierteln unsichtbaren Investor:innen gehören und niemand sich mehr eine Miete leisten kann, bevor die Klimakrise unsere Lebensräume unbewohnbar macht, bevor Einsamkeit und Gleichgültigkeit unser Gemeinwesen zerfressen – „gemeinsam über (uns) hinauszuwachsen“ (S. 11) und unser Potenzial als kooperative Stadt zu entfalten?

Die Lektüre ermutigt.

Website des Autors: https://www.gerald-huether.de/

Details
Autor:in
Verlag
Erscheinungsdatum
Auflage
Seitenzahl
ISBN-10
ISBN-13

Weitere Rezensionen